227
Einige Stunden vor Beginn der Auction wird das Local zum
Besehen der Bücher geöffnet. Schon da gewährt es Unterhaltung, das
Thun und Treiben der Kauflustigen zu beobachten, wie sie bald ernst,
bald lächelnd, Katalog und Bleifeder in der Hand, vor den mit Büchern
bedeckten Tafeln und Brettern stehen, jetzt eines aufnehmen und durch-
blättern, jetzt eines verächtlich hinlegen, gerade aber die betreffende Kata-
logsnummer des letztern mit einem starken Strich anzeichnen und dann
umherblicken, ob Jemand es bemerkt. Jeden mit scheelen Augen messend,
der nach demselben Buche greift. Sobald der Auctionator seinen Platz
genommen, verlassen Biele den Saal. Das sind nicht immer solche,
die nichts nach ihrem Geschmack gesunden, sondern im Gegentheil solche,
die sich kennen und mißtrauen. Sie wissen, meist aus theuer bezahlter
Erfahrung, wie schwer es im Allgemeinen, wie unmöglich es ihnen ins-
besondere ist, beim Bieten Maß und Ziel zu haltein Ein Schilling über
den Satz, den man sich selbst gestellt, von einem vielleicht sogar unan-
genehmen oder triumphirend aussehenden Menschen geboten — und
unwillkürlich überbietet man ihn mit einem weitern Schilling. Weicht
jener, oder ist man jetzt besonnen genug, ihm zu weichen — gut, dann
sind zwei Schillinge zu'verschmerzen, oder man darf sich zu seiner Selbst-
beherrschung gratuliren. Dann gehört man aber auch nicht zu den Lei-
denschaftlichen, die Grund haben, sich zu mißtrauen. Bei diesen schürt
jeder Schilling die Flamme des Verlangens; es folgt ein Gebot dem
andern, bis zuletzt der Sieger den Sieg bereut. Wer das aus Erfah-
rung an sich kennt, bestimmt genau den Preis, beauftragt den Schreiber
des Auctionators oder einen Freund, für ihn zu bieten, und verläßt den
Saal. Es giebt selbst Antiquare, sogenannte Zevonà-llanàoirlàrs,
denen das Gewerbe das Blut noch nicht hinlänglich gekühlt, und die
sich deshalb von ihren Laufburschen vertreten lassen, oft vortreffliche
Vertreter, die mit einer ihre zwölf oder vierzehn Jahre weit überreichen-
den Klugheit ihre Gebote abzumessen verstehen, und schon manchen alten
Herrn und hochbetitelten Gegner in Verzweiflung gebracht haben.
In der stieget kommt während jeder Saison mindestens eine
Auction vor, welche die Aufmerksamkeit der gesamten bücherkaufenden
Londoner Welt auf sich zieht. Voriges Jahr war das bei Versteigerung
der Bibliothek des Marquis von Wellesley der Fall, der seinen grie-
chischen und römischen Autoren — er galt für den besten Griechen 'und
Römer in England — Bemerkungen beigeschrieben hatte, welche manches
Werk auf den zehn- und zwölffacken Ladenpreis trieben. Aber der
enormste Preis wurde für eine Flugschrift über den letzten Krieg in Ost-
indien bezahlt, bloß weil das an sich unbedeutende 'Pamphlet von der
Hand des Marquis ein paar Randglossen in Betreff einiger während
seiner dortigen General-Statthalterschaft eingetretenen Ereignisse enthielt.
Das Acht-Groschen-Pamphlet wurde bis auf etwa dreihundert Thaler-
getrieben. Im laufenden Jahr war die besonders an heraldischen Wer-
ken, Manuscripten und Autographen ungewöhnlich reiche Büchersamm-
luug des Lord Beewick „der Löwe" der Auctionen. Schon daß
Shakspeares eigenhändiger Namenszug hinter einem, sein Haus in
Blackfriars betreffenden Documente sich unter den Autographen befand,
brachte, da bekanntlich Shakspeares Namensschrift außerdem nur vier-
mal existirt, alle Liebhaber solcher Curiositäten in fieberhafte Aufregung.
Als Evans das wichtige Blatt emporhielt, faßte der weite Saal kaum
ies *
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T3: [Hebel Last Brief Ende Gewicht Rolle Gleichgewicht Punkt Seite Fig], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Extrahierte Personennamen: Evans
Extrahierte Ortsnamen: Wellesley England Blackfriars
304
gut zum öffentlichen Verkauf ausgeboten werden. Zum Glück stand in
jenem Jahre ein Mann an der Spitze der Freibeuter, welchem noch
Ehrfurcht genug vor den Göttern und 'Scheu vor dem römischen Namen
einwohnte, um, wenn auch mit Mühe, ihre Loslassung durchzusetzen.
Timasitheus — so hieß der edelmüthige Räuber — führte die
Gesandten gastfreundlich zur Herberge, begleitete sie mit einer Bedeckung
seiner eigenen Fahrzeuge nach Griechenland, wohnte der feierlichen Ueber-
gabe des Weihgeschenks bei und ließ die Abgeordneten gleicher Weise
wieder heimgeleiten. Das römische Volke errichtete zum Dank dafür mit
Timasitheus das Gastrecht und schickte ihm auf öffentliche Kosten Geschenke.
Der auf's Neue ausbrechende Krieg mit den Faliskern, den Bewoh-
mern von Falerii, hielt den Geist der Unzufriedenheit, welcher seit der
Beuteverzehntung die Bürgerschaft erregte, noch im Zügel. Ihr Unmuth
gegen Camillus war so groß, daß es dem Senat nur unter großen
Anstrengungen gelang, die Wahl des Camillus zum Kriegsobersten her-
beizuführen. Auch Falerii war eine sehr feste und wohlgerüstete Stadt.
Gleichwohl beendigte Camillus diesen Feldzug schnell und glücklich, nicht
sowohl durch seine Tüchtigkeit in der Kriegführung, als durch seine Recht-
schaffenheit und weise Mäßigung.
Es hat damit diese Bewandtniß. Während der Belagerung führte
ein Lehrmeister der falerischen Jugend die ihm anvertraute Kinderschaar
den römischen Vorposten zu, ließ sich hierauf dem Camillus vorstellen
und redete ihn mit den Worten an: „Deine Gunst steht mir höher als
meine Pflicht. Mit den Kindern der Besten und Vornehmsten ihrer
Bürger übergebe ich die Stadt selbst in deine Hände." Aber die Ent-
gegennahme seines Anerbietens war eine ganz andere, als er erwartet
hatte. Camillus fuhr ihn zornig an: „Du Bösewicht, weißt du nicht,
daß, so viel Ungerechtigkeit und Gewaltthat auch immer mit dem Kriege
verknüpft ist, doch auch im Kriege Gesetze fortbestehen, über welche kein
Rechtschaffener sich hinwegsetzt? Wir werden keinen Vortheil über unsere
Feinde aus den Händen der' Bosheit annehmen. Mit Männern, nicht
mit Kindern führen wir Krieg. Ein großer Feldherr verläßt sich auf
seine Tüchtigkeit, nicht auf fremde Verrätherei." Hierauf ließ er ihn ent-
kleiden und' gebunden unter Ruthenstreichen der durch ihn Verrathenen
nach Falerii zurückführen.
Der Beweis römischer Großherzigkeit machte solchen Eindruck auf
die Falisker, daß sie sofort, nachdem sie in öffentlicher Versammlung
darüber Beschluß gefaßt, eine Gesandtschaft an Camillus und sodann an
den römischen Senat abordneten mit der Erklärung: „Ihr habt uns
durch Redlichkeit und Treue überwunden. Wir schämen uns nicht, einem
Volke von solcher Tugend uns zu übergeben, und sind der Ueberzeugung
worden, daß wir unter eurer Herrschaft besser als nach eigenen Gesetzen
leben werden. Schicket uns Leute, welche Waffen, Geißeln und die
Stadt selbst mit offenen Thoren in Empfang nehmen." Der Senat
ertheilte dem Camillus Vollmacht, die Friedensbedingungen nach eigenem
Ermessen festzustellen. Dieser legte den Faliskern die Zahlung einer
Geldsumme zum Ersatz der Kriegskosten auf, schloß mit ihnen ein Bünd-
niß und führte das Heer nach Rom zurück.
Kam er von dieser Heerfahrt nicht noch herrlicher zurück, als da-
mals, wie er im vejentischen Triumphzuge mit dem Sonnenrossegespann
in Rom einzog? Dennoch kehrte sich aus Anlaß dieses so glücklich als
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T55: [Rom Krieg Römer Jahr Heer Cäsar Hannibal Pompejus Marius Schlacht], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T146: [Rom Römer Stadt Krieg Gallier Rmer Italien Heer Jahr Schlacht], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
226
lung englischer Balladen kennt, welche viele von Percy^ gelassene Lücken
ausfüllt. Wie seines Vaters Hammer, so zerstreut der seinige die Mehr-
zahl der kostbaren Bibliotheken edler Pairs und reicher Bürgerlicher, und
seine Bücherkenntniß ist in London fast sprichwörtlich. Ihm zunächst
kommt Sotheby, dem die Aristokratie, die Geld- wie die Geburts-
Aristokratie, gewöhnlich dann den Vorzug giebt, wenn mit den Büchern
antiquarischer Schmuck, Münzen, Kupferstiche, litterarische Curiositäten
und andere dergleichen Gegenstände verkauft werden sollen. Die andern
Drei theilen sich in die Aufträge des Mittelstandes, ohne deshalb minder
geachtet zu sein. Außerdem kommen bei den sogenannten Allerhands-
Auctionatoren häufig genug Bücher vor; nur laufen sie hier bloß mit
unter, kommen aus einem geringeren Nachlasse, von einer unglücklichen
Auspfändung u. dergl. Zu einem Londoner Bücherversteigerer wird
mancherlei erfordert, was nicht in jedem Menschen sich beisammen findet.
Die Natur muß ihm ein Helles Auge, physisch und intellectuell einen
scharfen Blick verliehen, und er durch rastlosen Fleiß sich eine Menge
Kenntnisse erworben haben. Er muß nicht nur ein lebendiger Bücher-
katalog sein, die verschiedenen Ausgaben eines Werks mit Druckort und
Jahreszahl an den Fingern herzuzählen und die Eigenthümlichkeiten einer
jeden namhaft zu machen wissen; er bedarf auch eines gewissen Takts
und einer gewissen oratorischen Gewandtheit, um seine Kenntniß vor den
Anwesenden in volles Licht zu stellen. Er muß mit einem Streifblicke
erkennen, auf wen der Ausdruck „ein schlankes Exemplar" elektrisch
wirkt, wer dem hingeworfenen Beisatze „noch unaufgeschnitten," nicht zu
widerstehen vermag, wem die Bemerkung „erste Ausgabe" das Blut
zum Herzen treibt, oder in wem die scharf betonte Auszeichnung „Ein-
band von Lewis" laut widerhallt. Jeder Bücherversteigerer führt die
Worte inr Munde: „a prizeable copy, apicnic copy, a sweetly coated
volume, a glorious blackletter “3 und es ist auch nicht schwer, sie
auswendig zu lernen. Sie aber im rechten Momente zu gebrauchen,
das Auge bedeutsam auf den geheftet, der sie hören soll, das erheischt
Menschenkunde und Takt. Neben dieser psychischen Thätigkeit muß das
Auge physisch rastlos spähen, wer eben nickt oder nicken will, im Winkel
rechts, im Winkel links, unmittelbar vorm Katheder, an der langen
Tafel, im tiefsten Hintergründe des Saals, an der entfernten Eingangs-
thüre. Ein halbes Nicken heißt ein halber, ein ganzes ein voller Schil-
ling; ein Lächeln des Auctionators ermuthigt den Einen, ein ernster
Blick den Andern, eine gezuckte Achsel den Dritten, und der Versteigerer
muß bei jedem Subject errathen, mit welcher dieser Gebärden dasselbe
zu bearbeiten ist. Jeden Anwesenden muß er durchschauen, ihm die
Gedanken aus der Seele lesen, ihm beistehen, den Gedanken zur That
werden zu lassen. Es mag zum Schreiben eines Buchs nicht immer
Talent bedürfen, aber Bücher in London auf dem Wege der Steigerung
zu verkaufen, setzt stets ein besonderes Talent voraus, und deshalb ist,
meines Bedrückens, der Hammer eines solchen Mannes der Feder des
Schriftstellers vollkommen ebenbürtig.
2) Bischof Percy gab 1765 eine Sammlung altengl. Balladen heraus, die bekannt-
lich auch für unsere Litteratur (Herder, Bürger, Göthe) bedeutsam wurde.
3) Ein preiswllrdiges Exemplar, Cabiuetsausgabe (Pickenickexemplar), kost-
barer Einband, prachtvoller gothischer Druck.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
die Zahl der Neugierigen und Begehrenden, und der Auctionator selbst
wagte es nicht, ein Schweigen zu unterbrechen, das die verdoppelten
Herzschläge doppelt hörbar machte. Endlich leitete er den Verkauf mit
kurzer Rede ein, und nach fünf Minuten raschen Bietens stand die
Summe auf hundert Guineen. Das schien das Ziel, das die Meisten
sich gesteckt. Gerunzelte Stirnen, zusammengekniffene Lippen und nieder-
geschlagene Augen verriethen die bittere Täuschung oder den innern
Kampf zwischen Stehenbleiben und Weitergehen. Langsam erfolgte das
nächste Gebot; Einer nach dem Andern verstummte; immer höher stieg
die Spannung; immer feierlicher dehnte Evans die Zahlen; und als er
zuletzt einhundert und fünf und fünfzig Guineen das dritte Mal ausge-
rufen und den Hammer senkte, war kein Athem zu hören. Erst der Fall
des Hammers und des Auctionators gleichzeitiges dumpfes §one!^ zer-
rissen die Stille, und machten aus den Statuen wieder Menschen. Die
Citybibliothek war die Erfteherin.
Obschon bei dieser und ähnlichen Gelegenheiten weder von Mangel
an Liebhaberei, noch von Mangel an Geld' die Rede sein konnte, ver-
sichern doch die Auctionatoren, daß seit den letzten zwanzig Jahren ein
allmähliches Absterben der Bibliomanie nicht zu verkennen, ihre Blüthe-
zeit der Anfang des Jahrhunderts, und die Zeit ihrer höchsten Reife der
Mai 1812 gewesen sei, wo die Bibliothek des Herzogs von Roxborgh
zur Versteigerung kam und Evans damit debütirte. Der Verkauf währte
42 Tage, und unter den vielen Curiositäten war ein Exemplar von
Boccaccios Decameron, von Valdarfer zu Venedig 1471 gedruckt, das
einzige vollständige Exemplar dieser Ausgabe. Evans bevorwortete den
Ausruf mit einer Rede, die er eigens gefertigt und auswendig gelernt,
und die später Dr. Dibdin als ein rhetorisches Muster in seinem Werke
über die englische Litteratur veröffentlicht hat. Voran in der Reihe der
Bietenden standen persönlich drei vornehme Herren, der Herzog von
Devonshire, Graf Spencer und der Herzog von Marlborough, damals
Marquis von Blandford. Die Gebote stiegen schnell auf 500 Guineen.
„Bis hierher," schreibt Dibdin, „konnte es keinem Zweifel unterliegen,
daß bloß geplänkelt worden war. Nunmehr ritten die genannten Käm-
pen rüstig' gegen einander an, jeder entschlossen, seine Kraft auf's
Aeußerste zu erproben. „Tausend Guineen," sagte Graf Spencer. „Und
zehn!" setzte der Marquis hinzu. Man hätte eine Nadel fallen hören;
alle Augen waren auf die Streiter gerichtet; jeder Athem stockte. Auf-
geschaut'! Jetzt halten sie Zwiesprach; jetzt essen sie ein Biscuit; jetzt wet-
ten sie; aber alles das mit ungeschwächter Kraft, ohne den entferntesten
Gedanken, einander zu weichen. „Zweitausend Pfund!" sagte der Mar-
quis. Da schien es, als beschleiche den Grafen Spencer die Rücksicht
des klugen Generals auf vergebliches Blutvergießen, auf nutzloses Ver-
puffen der Munition. Eine Viertelminute hatte er pausirt, als mit
.einem langen Schritt Lord Althorp zu ihm trat, nicht anders, als bringe
er dem Vater eine frische Lanze, den Kampf zu erneuern. In seinem
Gesichte lag der feste Vorsatz, den Preis zu erobern, dafern nicht Klug-
heit in ihrer gebieterischesten Gestalt und mit ungewohntem Trotze zum
Abstehen rathe. Vater und Sohn besprachen sich leise, dann sagte Graf
Spencer: „Zweitausend zweihundert und fünfzig Pfund." Ein elektrisches 4
4) Zugeschlagen! (Fortgegangen).
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T49: [König Königin Herzog Peter Hof Elisabeth Minister Tod Graf Regierung], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
231
das Buch aber schlechterdings nirgends bekommen könne. Ich fragte
nun in der nächsten Auction einen mir gewogenen Stallkeeper, freilich
ohne anzudeuten, wie viel mir am Buche liege (denn Vorsicht kann
nicht schaden), und nach kurzem Bedenken antwortete er: „Gehen Sie
zu Sharpe, 14, St. Martins Court, Leicester Square (Platz), da steht's.
Er wird neun Schillinge fordern; für sieben und einen halben bekommen
sie es." Und so war und geschah es. Ich könnte mehrere Beispiele
dieser Art anführen.
Die allmächtige Mode beherrscht auch die Bücher, und nicht nur
in England. Seit dem Anfang des fetzigen Jahrhunderts vermindert
sich zusehends der Geschmack für die Klassiker, die Nachfrage nach grie-
chischen und lateinischen Dichtern und Historikern; und in demselben
Maß steigt das Begehr nach Kirchenvätern und nach allen scharfgeschrie-
benen geistlichen Geschichtswerken. Chrysostomus wiegt jetzt eben so
schwer wie Demosthenes, Augustin ist jetzt unleugbar ein größerer Poten-
tat als Augustus, und die Zeit vorüber, wo ein Livius auf Pergament
für eintausend Pfund verkauft wurde. Nächst den geistlichen Werken
stehen hoch im Preise die heraldischen, alte englische Chroniken, die
gesamte Litteratur des Mittelalters und die sogenannte „heitere Wissen-
schaft."^ Die Lieder der Troubadours und der alten provenhalischen
Sänger haben vielleicht an den Höfen, wo sie zuerst erklangen, nicht
mehr Beachtung gefunden, als jetzt in den Londoner Auctionen. Dage-
gen sind die italiänischen Dichter, mit Ausnahme Dantes und Tassos,
m der öffentlichen Gunst gewichen, und ein gleiches ist den spanischen
Granden widerfahren.
Ich spreche nicht von mir allein, wenn ich versichere, daß beim
Betreten eines Auctionszimmers die zum Verkauf ausgesetzten Bücher
eine tiefe Wehmuth erregen. Wahrhaftig, selbst den gierigsten, hart-
herzigsten Bücherwurm kann der Gedanke, hier vielleicht ein paar alte
Bände zu erschnappen, denen er seit lange nachgetrachtet, unmöglich
blind machen gegen die sich hier darbietenden schmerzlichen Beweise von
den Wechselfällen und der Vergänglichkeit des menschlichen Lebens. Da
stehen sie rings umher, die stummen Zeugen eines Lebens voll Hoffnung
und Furcht, wie nur Dibdin beide stark und wahr genug zu schildern
vermochte. Ich bin weder Phantast, noch Schwärmer; aber vor Kur-
zem, bei meinem Eintritte in ein Auctionszimmer, fiel mein erster Blick
auf eine fast vollständige Sammlung von „Aldiner Klassikern." Die
wenigsten Leser haben wohl einen Begriff davon, wie viel Mühe und
wie viel Geld diese fast vollständige Sanrmlung dem frühern Besitzer
gekostet haben muß. Er war Baronet, sein Leben von mancherlei
Unglücksfällen heimgesucht; er verlor seinen Lieblingssohn und einen
beträchtlichen Theil semes Vermögens. Von allen Freuden, die das Leben
verschönern, blieb ihm nur eine — die Freude an seinen Aldiner Klassi-
kern. Von allen Hoffnungen, die uns das Leben lieb machen, war ihm
die liebste — eine vollständige Sammlung Aldiner Klassiker. Jeden
Tag verwendete er einige Stunden daraus, die Orte zu besuchen, wo
er hoffen konnte, das Fehlende zu finden. Jede Nacht träumte er von
Orten, wo er noch nicht gewesen, und von Schätzen, die ihn dort erwar-
teten. Er durchreiste das Festland, nicht um sich zu zerstreuen, sich zu 10
10) la gaya sciencia nannten die Troubadours die Poesie.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
TM Hauptwörter (200): [T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans]]
Extrahierte Personennamen: Martins_Court Chrysostomus Augustus
482
Und ein Feuer schüren sie am Strande,
Mächtig, übergroß und überprächtig;
Puras selbst und Psaumis tragen Brände,
Zu verbrennen jene Feindeswasfen,
Mehons Massen, die den Streit erreget!
77. Des Sapieha Rache.
In dem niedern Steinhaus von Milkowo
Steht der stolze Fürst Marcin Sapieha,
Mühsam schmeichlerisches Lächeln heuchelnd,
Mühsam seine Stirn von Falten glättend,
Mühsam nur nach milden Worten haschend
Gegen den ergrauten Herrn Wilkowski,
Klopft den Szlachcic1 traulich auf die Schulter,
Nennt ihn edler Herr und Herzensvater.
„Fordre was du willst, es soll dir werden.
Bei der Mutter Gott's von Czenstochowa
Schwör' ich's, Alles will ich gern gewähren;
Silber, Gold und Ungarwein und Stiefeln,
Meinen Schecken, hörst du's, meinen Schecken -
Nur verkaufe mir dein Gut Milkowo.
Alles Land gehört hier dem Sapieha,
Zwanzig, dreißig Stunden in der Runde,
Nur der Blumentopf, die Hand voll Dünger,
Dein Milkowo nicht — der Schwarze hol' es!
Frei will ich zu Roß den Hasen hetzen,
Jagen — ja so weit der Himmel blau ist,
Will von keinem morschen Grenzpfahl wissen.
Dein Milkowo, Brüderchen, verkauf es."
Rückwärts winkt Sapieha zween Heiducken.
Säbelklappernd nahen die Trabanten,
Tragen jeder zwei gewicht'ge Säcke,
Klimpern mit den schönen Silbermünzen,
Schütten dann die Gulden auf den Steintisch,
Lauter blanke, neugeprägte Gulden,
Aus dem kleinern Beutel die Dukaten
Mit der Jungfrau und dem Jesusknaben,
Mit dem Ritter und den sieben Pfeilen.
Lustig rollten weiß und rothe Gulden 2
Bon dem Steintisch in des Zimmers Winkel.
„Brüderchen, verkaufe mir Milkowo,"
Spricht Sapieha, „all das Gold ist deine."
Den geschornen Scheitel wiegt der Szlachcic,
Blickt zu Boden, dreht den Bart verlegen,
Räuspert sich und lächelt, doch gezwungen,
Neigt demüthig sich, und küßt Sapieha's
125
. Kopisch.
1
5
10
15
20
25
30
35
1) Szlachcic — Edelmann- 2) Rothe Gulden, poln. — Dukaten.
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
TM Hauptwörter (200): [T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T169: [Hand Kreuz König Krone Schwert Zeichen Haupt Gold Mantel Kaiser], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
51
dert worden. Ich muß dich daher um eine Mitgabe für deinen Sohn
ersuchen, im andern Falle hätte ich dir nichts zugemuthet." '„Für
meinen Sohn?" — „Nun ja, weißt dn nicht, daß er Marien hei-
rathen will?" — „Eduard?" rief der Kaufmann und sprang aus denr
Bette.— „ Eduard Weresford," entgegnete der Quäker sanft und nahm
gemächlich eine Prise Tabak. „Dn mußt dich schon entschließen, etwas
für ihn zu thun. Es ist mir lieb," fuhr er mit Nachdruck fort, „wenn
er nicht erfährt, was heute Nacht vorgegangen ist: aber giebst du die
Summe, welche ich versprochen, nicht her, jo muß ich ihm wohl sagen,
wie ich darum gekommen." Weresford lief zu einem Schrank, holte
einen Kasten mit drei Schlössern heraus, schloß auf und gab Toby nach
einander Börse, Uhr und Geldsack. „Schön," sagte der Quäker, „ich
sehe, ich konnte auf dich rechnen."— „Sonst willst du nichts?" fragte
der Kaufmann barsch. „Doch, noch um Eins ersuche ich dich freund-
schaftlich." — „Sprich!" — „Enterbe deinen Sohn." — „Wie?" —
„Du sollst ihn enterben; es soll nicht heißen, ich habe bei der Heirath
ans dein Vermögen gesehen." Mit diesen Worten verließ der Quäker
das Zimmer. „Nein," sprach er zu sich, als er allein war, „die Kin-
der sind nicht verantwortlich für die Handlungen ihrer Eltern. Marie
soll den Sohn dieses Mannes heirathen; aber gestohlen Gut anrühren —
nimmermehr!"
Als er im Hof war, rief er Weresford, der aus dem Fenster sah,
hinauf: „Ei, Freund, ich habe dir deine Stute gebracht; laß mir doch
meinen Klepper geben." Nicht lange, so saß Toby im Sattel, seinen
Geldsack vor sich, Uhr und Börse in der Tasche, und ritt im kurzen
Trab nach Hause. Er traf daselbst Eduard und sagte zu ihm: „Ich
habe deinem Vater meine Aufwartung geinacht und glaube, wir werden
gut mit einander auskommen." — Zwei Stunden darauf kam Weres-
ford in Tobys Haus und verlangte ihn allein zu sprechen. „Braver
Quäker," sagte er, „Ihr Benehmen hat mich auf's Tiefste erschüttert.
Sie konnten nrich um Ehre und Leben bringen, Sie konnten meinen
Sohn doppelt unglücklich machen, einmal durch das Bewußtsein, mich
zum Vater zu haben, und dann durch Versagung der Hand Ihrer Toch-
ter; Sie haben gehandelt als ein Mann von Kopf und Herz. Nehmen
Sie diese Papiere; leben Sie wohl. Sie sehen mich nicht wieder." Er
ging. Der Quäker öffnete das Packet; es waren Anweisungen von
bedeutendem Belang an die ersten Handelshäuser in London; ferner ein
langes Verzeichniß von Namen, neben jedem eine Summe, groß oder
klein. Ein Zettel lag dabei, worauf stand: „Es sind dies die Namen
der Beraubten; die Zahlen geben die wieder zu ersetzenden Summen an.
Erheben Sie das Geld bei den Wechselhäusern, als hätten Sie es mir
in das Ausland zu schicken, und besorgen Sie selbst unter der Hand die
Wiedererstattung. Was mir übrig bleibt, ist inein rechtmäßiges Gut,
und Ihre Tochter wird mich dereinst beerben können." — Tags darauf
war Weresford aus London verschwunden, und es hieß allgemein, er
wolle sein Einkommen in Frankreich verzehren.
An Eduards und Mariens Hochzeit sah man eine lustige Gesell-
schaft beisammen ^und darunter viele Leute, die höchlich zufrieden mit
dem Londoner Straßenräuber waren, welcher ihnen durch Toby's
Vermittelung das entwendete Capital samt den Zinsen hatte zurück-
zahlen lassen. Zeitschrift.
4*
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T64: [Vater Sohn Jahr Tod Mutter Regierung König Kind Heinrich Bruder]]
Extrahierte Personennamen: Eduard_Weresford Eduard Toby Toby Eduard Eduard Eduards Eduards
Extrahierte Ortsnamen: London London Frankreich Mariens
115
Welch ein Anblick! Ein langer, ziemlich finsterer Saal, in welchem
Pult an Pult stand, hinter jedem derselben ein emsig schreibender oder
rechnender Mensch, ich zählte deren dreißig; in einem Nebensaale saßen
auch noch mehrere. Unsern der Thüre hatte ein ziemlich bejahrter Mann
hinter einem Zahltische Platz genommen, neben und hinter ihm standen
mehrere eiserne Kisten. — Ich that einen tiefen Seufzer.
„Nun, Herr Karsten!" redete der Prinzipal bei seinem Eintritte
den Kassirer an, „was giebts Neues?"
„Wenig!" entgegnete dieser ruhig. „Mehrere Anfragen sind ein-
gelaufen, können aber nicht berücksichtigt werden. In Livorno haben wir
nichts, auf Genua und Venedig können wir um des eigenen Bedarfs
willen nichts abgeben, zwei unserer Schiffe laden auf dort. Zwei Valu-
ten * aus Newyork und eine auf Havanna, die auch begehrt wurden,
habe ich angewiesen. Können Sie Kopenhagener und schwedische Papiere
zu einem annehmlichen Curse brauchen?"
„Nein, es soll so wenig Geld als möglich in Papiere gesteckt wer-
den, ich brauche nächstens einen bedeutenden baaren Vorrath; merken Sie
sich das!" —
Er ging weiter, stand aber bald darauf vor einem Pulte still. „Sind
die Stückgüter gestern an Bord der Artemisia gekommen, Herr Köhler?"
fragte er hingeworfen. „Ist dieasseeuranz für meinen Pfeil besorgt, und
hat Capitain Heysen seine Papiere bekommen?"
„Es ist Alles besorgt!" war die Antwort. „Hier find die Con-
noissements *, hier die Police * und hier der Empfangschein des Capi-
tains." „Gut. Ich bin mit Ihrer Pünktlichkeit zufrieden. Fahren Sie
fort: Ordnung ist die Seele des Geschäfts. Nehmen Sie sich aber mit
dem Streusand in Acht, es ist ein widerlicher Anblick, wenn es so um-
herliegt, wie auf Ihrenl Pulte." —
Herr Mohrfeld war an seinen Platz gekommen, den eine Barriere
von dem Saale schied; er deutete mit der Hand auf mich und auf einen
Stuhl und wendete darauf seine Aufmerksamkeit einer Menge von Briefen
zu, die seiner Ankunft harrten.
Eine tiefe Stille herrschte, die nur durch das eintönige Gekritzel
der Federn unterbrochen wurde; kein lautes Wort ward vernommen, und
selten hörte man hier und da ein unterdrücktes Zischeln. Von mir nahm
kein Mensch Notiz, keine Frage ward an mich gerichtet, ja nicht einmal
ein neugieriges Auge ruhte auf mir.
Der Kaufmann hatte die Durchsicht der Briefe beendet und rief meh-
rere junge Männer herbei und beauftragte sie mit Beantwortung dersel-
den; um 1 Uhr mußte Alles zur Unterschrift fertig sein! — Sie, Herr
Becker, müssen sich vorsehen, damit Sie in den französischen Briefen
nicht wieder, wie neulich, Fehler einschleichen lassen. Sie arbeiten zu
schnell, zu flüchtig; nehmen Sie Herrn Horst zum Muster, seine englische
Correspondenz ist eine Mustercorrespondenz. Uebrigens merke ich bei
Ihnen allen seit Kurzem eine Neuerung, die nichts taugt. Sie schreiben 1
1) Valuta eigentlich Werth einer Waare, einer Münze, insonderheit aber einer
Schuldanweisung (eines Wechsels). Hier steht das Wort in dem Sinne
von Wechsel. — 2) So nennt der Schisser die Frachtbriefe. — 3) Die
Police ist die Urkunde, welche den Versicherungs- (Asseeuranz-) Vertrag
enthält.
6*
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T3: [Hebel Last Brief Ende Gewicht Rolle Gleichgewicht Punkt Seite Fig], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk]]
228
Es muß zur Ehre der Nation gesagt werden, daß der Drang
zum Geben gleichen Schritt hielt mit der Freudigkeit, persönlich
in den Kampf zu gehen. Der Zndrang zum freiwilligen Eintritt
war so groß, daß es sehr viele gab, welche die Alisrüstung nicht
aus eigenen Mitteln bestreiten konnten; auf diese besonders wandte
sich zunächst die Theilnahme. Die Zeitungen von Berlin, Breslau
und Königsberg auö jener Zeit, wo die Gaben, wie sie in diesen
Hauptstädten eingiengen, verzeichnet stehen, werden immer ein
schönes Denkmal des Ruhmes sein. Und doch sind diese Auf-
zeichnungen nur ein kleiner Theil dessen, was wirklich in allen
Gauen auf den Altar des Vaterlandes gelegt worden ist. Viele
wollten gern geben, aber sie hatten nicht bares Geld, und auf
dieses, meinten sie, käme es allein an. Ihnen mußte gesagt.werden,
daß in einem Augenblick wie der jetzige, wo der Staat nur durch
außerordentliche Anstrengung seine Selbständigkeit erhalten könne,
jedes Opfer für denselben Werth habe: Pferde, Vieh, Getreide, Fon-
rage, ungemünztes Silber, Waffen, Tuch, Eisen, Stiefeln, Schuhe,
Leder, Strümpfe u. s. w., ja selbst Fuhren, Handarbeit rc., je nachdem
der eine dieses, der andere jenes geben oder leisten könne, seien
eine Unterstützung, eine Förderung für die gemeinschaftliche Sache.
Es ist rührend, was alles hergegeben wurde. Das Heiligste,
was man besonders hoch hält, was uns sonst unschätzbar ist, wurde
freudig zum Opfer gebracht. Es war nöthig, in Bezug dieser pa-
triotischen Gaben eine eigene Behörde einzurichten. Sie bildete
sich in Berlin durch Wahl und Vertrauen, und ihre Mitglieder
nannten sich Nativnalrepräsentanten, Stellvertreter aller Provinzen
und Stände. Diese erließen in der Zeitung vom sechsten März einen
öffentlichen Ausruf an ihre Mitbürger. 'Das Vaterland ist in
Gefahr!' sagt der Aufruf, 'und Friedrich Wilhelm fordert sein
Volk zur freiwilligen Unterstützung auf. — Welcher Preuße kann
da noch zaudern, dieser Aufforderung aus allen Kräften zu genügen!
Mit voller Überzeugung setzen wir bei unsern Mitbürgern den
Willen voraus, ihre treue Anhänglichkeit an König und Vater-
land in der jetzigen Krisis durch außerordentliche Opfer zu be-
thätigen' u. s. w.
Dieser laute Ruf übers Land trug auch sogleich seine reichen
Früchte. Man gab, was irgend möglich war: Staatsdiener, viele
im stehenden Heere dienende Ofsiziere gaben deil vierten, selbst den
dritten Theil ihres Gebaltes, verabschiedete Beamte und Offiziere
einen Theil ihrer Pension, einige die Hälfte, einige diese sogar
ganz. Andere liehen dem Staate ein kleines erspartes Capital
ohne Zinsen während der Kriegsperiode. Viele besoldeten eine An-
zahl Freiwilliger im Felde. Mancher einzelne schenkte mehrere
Tausende von Thalern u. s. w. Berlin allein hat so viel Frei-
willige gestellt und ausgerüstet, als erforderlich sein würden, um
mehrere Infanterie- und Cavallerieregimenter daraus 311 formieren.
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
TM Hauptwörter (200): [T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T151: [König Volk Kaiser Reich Fürst Land Gott Wilhelm Deutschland Frieden], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Breslau Königsberg Berlin Berlin
61
Just. Ich habe in der Küche meine Rechnung geschrieben,
und die Küche ist voll Rauch. Hier ist sie, mein Herr.
Tellheim. Gieb her.
Just. Haben Sie Barmherzigkeit mit inir, mein Herr. Ich
weiß wohl, daß die Meiischen mit Ihnen keine haben; aber —
Tellheim. Was willst bn?
Just. Ich hätte mir eher deii Tod, als meiuen Abschied ver-
muthet.
Tellheim. Ich sann dich nicht länger brailcheii; ich Milß
mich ohne Bedieiiteii behelfen lernen. (Er liefet.) ^Was der Herr
Major mir schuldig: Drei niid einen halbeii Monat Lohii, den
Monat 6 Thaler, macht 21 Thaler. Seit dem ersten dieses an
Kleiiiigkeiten ausgelegt: 1 Thlr. 7 Gr. 9 Pf. Silmma Summarum
22 Thlr. 7 Gr. 9 Pf.' — Gut, und es ist billig, daß ich diesen
laiifenden Monat ganz bezahle.
Jiist. Die andere Seite, Herr Major —
Tellheim. Noch mehr? (liefet.) "Was dem Herrn Major ich
schuldig: An den Feldscheer für mich bezahlt 25 Thlr. Für War-
tung und Pflege während meiner Kur für mich bezahlt 39 Thlr.
Meinem abgebrannten und geplünderten Vater auf meine Bitte
vorgeschossen, ohne die zwei Bentepferde zu rechnen, die er ihm
geschenkt, 50 Thlr. Summa Summarum 114 Thlr. Davon
abgezogen vorstehende 22 Tblr. 7 Gr. 9 Pf., bleibe dem Herrn
Major schuldig 91 Thlr. 16 Gr. 3 Pf.' — Kerl, bist bu toll?
Inst. Ich glaube es gern, daß ich Ihnen weit mehr koste.
Aber es wäre verlorne Tinte, es dazu zu schreiben. Ich kann
Ihnen das nicht bezahlen; und wenn Sie mir vollends die Liverei
nehmen, die ich auch noch nicht verdient habe, so wollte ich lieber,
Sie hätten mich in dem Lazarethe verscheiden lassen.
Tellheim. Wofür siehst du mich an? Du bist mir nichts
schuldig, iitib ich will dich einem von meinen Bekannten empfehlen,
hei dem du es bester haben sollst, als bei mir.
Inst. Ich bin Ihnen nichts schuldig, und doch wollen Sie
mich verstoßen?
Tellheim. Weil ich dir nichts schuldig werden will.
Just. Darum? nur darum? —So gewiß ich Ihnen schuldig
bin, so gewiß Sie mir nichts schuldig werden können, so gewiß
sollen Sie mich nun nicht verstoßen. — Machen Sie, was Sie
wollen, Herr Major, ich bleibe bei Ihnen, ich muß bei Ihnen
bleiben.
Tellheim. Und deine Hartnäckigkeit, dein Trotz, dein wil-
des ungestümes Wesen gegen alle, von denen bu meinst, daß sie
dir nichts zu sagen haben, deine tückische Schadenfreude, deine
Rachsiicht — —
Fust. Machen Sie mich so schlimm, wie Sie wollen; ich
will darum doch nicht schlechter von mir denken, als von meinem
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T92: [Vgl Aufl fig Vergl Sch. Liv Sept Aug Iii Geb]]